Teresa Tillmann ist Erziehungswissenschaftlerin, Psychologin und Doktorandin am Lehrstuhl für Schulpädagogik an der LMU München
Vortrag zum Thema Hochsensibilität + Stress = Psychische Erkrankung?
Teresa Tillmann, Jahrgang 1989, ist Erziehungswissenschaftlerin (B.A.) und Psychologin (M.Sc.) und seit Ende 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Schulpädagogik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nachdem das Thema Hochsensibilität ihr Interesse bereits vor einigen Jahren weckte, konnte sie sich im Zuge ihrer Masterarbeit auf wissenschaftlicher Basis mit dem Thema im Kontext Schule auseinander setzen. Die Ergebnisse enthalten interessante und für die Praxis äußerst wichtige Schlussfolgerungen hinsichtlich des Wohlbefindens und des Umgangs mit hochsensiblen SchülerInnen, die auf der Homepage des Informations- und Forschungsverbundes Hochsensibilität e.V. oder auch zusammenfassend im Magazin SCHULE (Heft 6, 2016) nachgelesen werden können.
Im Zuge ihrer Dissertation hat sie sich nun vorgenommen das Thema noch einmal zu beleuchten – in dieser Arbeit allerdings aus einer anderen, gesundheitspsychologisch geprägten Perspektive und mit dem Fokus auf Lehrkräften. Das Ziel dabei ist es empirisch aufzuzeigen, dass Hochsensibilität nicht zwangsläufig mit psychischen Erkrankungen oder ungünstigen Stressbewältigungsmustern gleichzusetzen ist und damit Gleichungen wie “Hochsensibilität + Stress = Psychische Erkrankung?” zu hinterfragen. Um dies zu realisieren, werden Lehrkräfte, die an der Schule tätig sind, mit stationär psychosomatisch behandelten LehrerInnen verglichen. Eine explorative Analyse mit ersten Ergebnissen der Studie wird sie auf dem Wissenschaftsforum des Kongresses präsentieren. Das Vorhaben ist angereichert durch inhaltliche und methodische Vorschläge der Experten Arthur und Elaine N. Aron, mit denen sie seit einiger Zeit in Kontakt ist. Im April 2017 wird sie außerdem die Gelegenheit haben, sich im Zuge eines Forschungsaufenthaltes an der University of California in Berkeley mit beiden persönlich weiter auszutauschen und zusammenzuarbeiten.
Abstract zum Vortrag „Hochsensibilität + Stress = Psychische Erkrankung?“ für den 1. Kongress zum Thema Hochsensibilität in Deutschland (30.06. / 01.07.2017)
Sensory-Processing Sensitivity (SPS), der englische Begriff des im Deutschen bekannten Konstrukts der Hochsensibilität, geht auf Elaine N. Aron zurück (Aron & Aron, 1997) und thematisiert interindividuelle Unterschiede in sensorischen Informationsverarbeitungsprozessen. In der Theorie wird dabei davon ausgegangen, dass etwa 15-25% aller Menschen eine Gruppe repräsentieren, die als hochsensibel gelten und Reize in der Umwelt in größerer Fülle und tiefer verarbeiten. Das in Konsequenz damit zusammenhängende schnellere Erreichen eines Zustands der Überstimulation führt dazu, dass Fragen bezüglich der Relation zu dem eigenen Belastungserleben in den letzten Jahren immer mehr in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit rückten (siehe z.B. Benham, 2006). In diesem Vortrag werden einige dieser Fragen aufgegriffen und des Öfteren kommunizierte Gleichungen, wie beispielsweise „Hochsensibilität + Stress = psychische Erkrankung?“, näher analysiert sowie in Frage gestellt. Die empirische Grundlage dazu bilden erste Ergebnisse des eigenen Dissertationsprojekts, welches zwei Lehrerstichproben (eine Gruppe mit Lehrkräften, die in einer psychosomatischen Klinik stationär behandelt wird und eine zweite Gruppe mit Lehrkräften, die sich im aktiven Schuldienst befindet), hinsichtlich der Hochsensibilität sowie weiterer personen- sowie umweltbezogener Variablen miteinander vergleicht. Des Weiteren wird versucht, Hochsensibilität von anderen Konstrukten abzugrenzen und dessen zusätzlichen Erkenntnisgewinn herauszustellen. Erste Ergebnisse zeigen bereits, dass die Werte auf der Hochsensibilitätsskale in der klinischen Stichprobe im Durchschnitt höher und in anderer Weise verteilt sind als bei den Lehrkräften, die sich im Schuldienst befinden. Alle Erkenntnisse werden in Bezug zur Praxis gesetzt und durch Tipps zum Umgang mit Stress für Hochsensible erweitert. Durch das Adressieren existierender Forschungslücken im Bereich der Hochsensibilität und die methodische Herangehensweise leisten die vorgestellte Studie und deren Ergebnisse einen wichtigen Beitrag zur Persönlichkeits- und Hochsensibilitätsforschung sowie der Belastungsforschung im Arbeitskontext.
Sehr geehrte Frau Tillmann,
als hochsensible Lehrerin( darauf hingewiesen durch eine Psychotherapeutin) finde ich natürlich Ihre Arbeit über die Zusammenhänge zwischen der Hochsensibilität und dem Lehrerberuf sehr interessant. Es ist logisch, dass für HSP-Lehrer schnell Überstimulierungen entstehen können und diese auf Dauer häufiger zu psychischen bzw. psychosomatischen Erkrankungen führen können. Aus eigener Erfahrung möcht ich jedoch zu bedenken geben, dass stressige Dauereinflüsse von außen
bei HSP zu auch körperlichen Erkrankungen führen können(oder ihre erbliche Ursache dort haben), die neurologische Symptome haben. Das noch nicht so bekannte Krankheitsbild des Mastzellaktivierungssyndroms (Informationen dazu bei Professor Gerhard Molderings, Bonn oder bei YouTube) ist hier interessant. Auch hier sollen etwa 10% der Bevölkerung betroffen sein. Sie reagieren sehr empfindlich auf jegliche Reize von außen. Ob sie diese Reize auch tiefer verarbeiten, hat vermutlich noch keiner untersucht. Ich selbst jedenfalls habe entweder beides oder beides hat dieselbe Ursache- hochsensible Mastzellen. Möglicherweise sind einige Ihrer Probandinnen auch MCAS-patienten.
Viel Erfolg weiterhin bei Ihrer für uns Lehrer sehr nützlichen Arbeit.
Mit freundlichen Grüßen
Martina Eckerl
Liebe Frau Eckerl,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Wir vom Kongress haben ihn an Teresa Tillmann weitergeleitet.
Herzliche Grüße!
Kathrin Sohst – Kongressinitiatorin